Talent Management gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ein globaler Trend zeigt, dass vor allem junge Arbeitnehmer immer häufiger den Job wechseln. Eine von Deloitte weltweit durchgeführte Studie (The 2016 Deloitte Millennial Survey) ergab, dass zwei von drei der sogenannten Generation Y ihr Unternehmen bis Ende 2020 wieder verlassen werden.

Ein klarer Trend, der sich auch innerhalb der Reihen deutscher Unternehmen abzeichnet. Die Loyalität dem Unternehmen gegenüber sinkt. Die Generation Y fragt nach persönlicher und beruflicher Entwicklung, mehr Flexibilität und hinterfragt die Werte des Unternehmens. Eine sichere Anstellung und eine ansprechende Vergütung allein reichen nicht mehr aus. Laut der Arbeitsmarktprognose 2030 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) soll die erwerbstätige Bevölkerung in Deutschland infolge des demografischen Wandels bis 2030 um gut 6 Millionen sinken. Der Konkurrenzkampf um die Talente spitzt sich zu. 


 
Ilze Lamers, Talent Director Germany & Northern Europe bei der PageGroup, kennt den Markt in Europa. Im Interview beschreibt sie den Status Quo in Deutschland und erklärt, warum Talente hier eine optimale Ausgangslage vorfinden.
 

Ilze, du beobachtest den Arbeitsmarkt in Deutschland seit Jahren. Wie ist die Situation im Moment und was unterscheidet Deutschland von anderen Ländern in Europa?

"In Deutschland gibt es schon heute mehr Jobs als Kandidaten. Es herrscht ganz klar ein Kandidatenmarkt und gut ausgebildete Arbeitnehmer können sich vor passenden Jobangeboten kaum retten. Sobald sie sich für die richtige Stelle entschieden haben, bleiben sie in der Regel für einige Jahre beim Arbeitgeber. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer in Deutschland durch das Gesetz besser geschützt sind, als es in anderen Ländern der Fall ist. Die Kündigungsfristen sind zugunsten der Mitarbeiter ausgelegt. Im Vergleich zu den USA oder Großbritannien ist die Fluktuationsrate in Unternehmen niedriger. Deutschland ist noch traditioneller eingestellt und sehr arbeitnehmerfreundlich. Arbeitsverträge sind weniger flexibel als im europäischen Durchschnitt. Das verändert sich erst jetzt langsam – nicht zuletzt getrieben durch den Generationenwechsel."

Du bist Talentmanager. Dein Fachgebiet sind unter anderem die jungen Arbeitnehmer. Was macht die Arbeitshaltung dieser jungen Generation aus?

"Die neue Generation in Deutschland ist experimentierfreudiger. Sie legen den Fokus auf ihre Fähigkeiten und sind bemüht, stets neue Kompetenzen zu entwickeln. Tendenziell wechseln junge Arbeitnehmer heute schneller den Job als die Generation ihrer Eltern. Sie sind schneller „gelangweilt“ und wollen sich auf verschiedenen Ebenen weiterentwickeln. Unternehmen legen ihren Fokus auf Kompetenzen, die relevant für den Job und die Unternehmensperformance sind; Arbeitnehmern, gerade den jungen, geht es eher darum, neue Erfahrungen zu sammeln.

Ein kluger Schritt, um Talente für sich zu gewinnen ist daher, seine Werte nach außen zu kommunizieren. Gerade jungen Arbeitnehmern ist es wichtig, sich mit dem Unternehmen, für das sie arbeiten, identifizieren zu können. Einige Unternehmen in Deutschland haben das bereits erkannt und setzen es um, zum Beispiel der TÜV Rheinland oder die Siemens AG. Der „Cultural Fit“ trägt maßgeblich zum Unternehmenserfolg bei.

Neben dem gezielten Employer Branding stehen Unternehmen dann genau der Herausforderung gegenüber, diese neue Generation durch entsprechendes Talent Management zu binden."

Junge Arbeitnehmer in Deutschland haben die Wahl

Du sprichst von verschiedenen Generationen. Inwiefern unterscheidet sich die Generation der heutigen Young Professionals von älteren Generationen?

"Bei früheren Generationen sprach man davon, dass sie leben um zu arbeiten. Heute ist das Gegenteil der Fall: Die Menschen arbeiten um zu leben. Themen wie Work-Life-Balance und Flexibilität werden daher immer wichtiger.

In den Unternehmen treffen heute verschiedene Generationen mit unterschiedlichen Überzeugungen aufeinander. Hier muss individuell geprüft werden, dass man diese zusammenführt und ein optimales Arbeitsumfeld schafft. Doch der Trend geht dahin, den festgefahrenen Traditionen den Rücken zuzukehren, auch weil viele Arbeitnehmer der „alten“ Generation nach und nach in Pension gehen.

In der Vergangenheit war es Arbeitnehmern häufig wichtig, in einem renommierten Unternehmen zu arbeiten. Sie suchten nach einer Jobgarantie und dem großen Namen. Das Bild hat sich in Deutschland gewandelt: Arbeitnehmer schauen heute mehr darauf, was sie aus ihrem Job mitnehmen können und welchen Mehrwert sie dem Unternehmen liefern können. Die persönliche Entwicklung steht im Vordergrund."

Also spielt Jobsicherheit eine weniger große Rolle als in der Vergangenheit?

"Deutschland ist ein Land mit guten Voraussetzungen in Sachen Jobsicherheit. Wie bereits genannt, erleben wir zurzeit einen von Kandidaten gesteuerten Arbeitsmarkt mit hohem Potential. Arbeitnehmer in Deutschland werden zunehmend selbstbewusster und können sich erlauben kritisch und wählerisch zu sein. Anders als in der Vergangenheit, trauen Sie sich Forderungen zu stellen. Für Unternehmen bedeutet es, dass sie mehr Überzeugungsarbeit leisten und zunehmend flexibel werden müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Eine Veränderung muss her. Umdenken lautet da das Stichwort."

Wie funktioniert „Umdenken“ für Unternehmen? Finden Sie heraus, was sich nicht nur die junge Generation wünscht.